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Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
das Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu. Ein Jahr, das wieder neue Herausforderungen für uns alle bereithielt. Wir besinnen uns weiterhin auf das Wesentliche, die positiven Erlebnisse und stellen uns auch den neuen Aufgaben mit Sachverstand und dem notwendigen Funken Leidenschaft.
Uns freut besonders, dass unsere Kanzlei im Juli 2022 erneut von der Zeitschrift „WirtschaftsWoche“ als Top-Kanzlei im Bereich Medizinrecht ausgezeichnet wurde. Zudem wurden die Rechtsanwälte Prof. Dr. Alexandra Jorzig sowie Dirk Benson als Top-Anwälte gekürt. Ohne Sie als Mandanten wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Dafür herzlichen Dank!
Das gesamte JORZIG –Team bedankt sich auch herzlich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien, ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr.
Ihr Team von JORZIG Rechtsanwälte
Wir senden Ihnen unseren Jahresüberblick mit Entscheidungen der obergerichtlichen Rechtsprechung in der Arzthaftung im Jahr 2022.
BGH, Beschluss vom 16. August 2022 – VI ZR 342/21
Der Fall:
Eine Patientin litt unter einem Tumor des Keilbeinflügels bzw. der Hirnhaut (Meningeom). Die behandelnden Ärzte empfahlen und planten aufgrund der Größe dieses Tumors eine operative Entfernung. Im Rahmen des vorbereitenden Aufklärungsgesprächs erläuterte der aufklärende Arzt der Patientin unter anderem die im Aufklärungsformular angeführten Risiken. Der Arzt unterstrich die von ihm für besonders relevant erachteten Risiken in dem Aufklärungsbogen. Die Passage, in dem die Möglichkeit von schweren und dauerhaften Ausfallerscheinungen (Paresen) aufgeführt wurde, unterstrich er dabei jedoch nicht. Demgegenüber hob er die Passagen hervor, in denen schwere Störungen als selten und als Ausnahmen, die sich meistens zurückbilden, beschrieben wurden.
Der Tumor wurde einige Tage nach dem Aufklärungsgespräch operativ entfernt. Postoperativ zeigte sich bei der Patientin dann eine linksseitige Hemiparese, die auch in der Folgezeit bestehen blieb.
Die Patientin begehrte schließlich klageweise Schadensersatz- und Schmerzensgeld von dem Krankenhausträger, weil sie nicht im erforderlichen Umfang über die Schwierigkeit der Operation und nicht ausreichend über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden sei. Ausdrücklich beanstandete sie die besprochene Passage im Aufklärungsbogen, wonach es nur „selten“ zu schweren bleibenden Störungen komme. Denn tatsächlich würden bei derartigen Eingriffen ca. 20 % der operierten Patienten schwere und 30 % der Patienten moderate neurologische Defizite erleiden. Vaskuläre Komplikationen würden im Rahmen einer solchen komplexen Operation sogar mit einer Häufigkeit von bis zu 50 % auftreten. Diese Risiken seien bei ihr - wegen einer starken Durchblutung des Tumors und dessen Verzahnung mit dem Hirngewebe - sogar noch deutlich erhöht.
Die Entscheidung:
Sowohl das LG Trier in erster Instanz, als auch das OLG Koblenz als Berufungsinstanz, wiesen die Klage bzw. die Berufung der Klägerin als unbegründet zurück. Ein Aufklärungsdefizit sahen die Gerichte in den ersten beiden Instanzen nicht, weil in dem besprochenen Aufklärungsbogen als mögliche Folgen der Tumoroperation allgemein Lähmungserscheinungen, Sprach- und Sehstörungen, Verwirrtheit und viele andere, zum Teil auch lebensgefährliche Komplikationen, aufgezählt wurden.
Der BGH konstatierte hingegen, dass die Gerichte der ersten und zweiten Instanz sich nicht ausreichend mit der Rüge der Klägerin befasst hätten, wonach das Risiko bleibender Schäden „verharmlost“ dargestellt und als „selten“ beschrieben worden sei. Das Risiko eines neurologischen Defizits dürfte mit der Beschreibung im Aufklärungsformular als „selten“ oder als „Ausnahme“ jedenfalls nicht zutreffend beschrieben worden sein, wenn die Gefahr solcher Komplikationen im konkreten Fall bei bis zu 50 % liege. Eine von der Klägerin monierte Verharmlosung liege auch deshalb nahe, da in dem Aufklärungsformular davon die Rede sei, dass sich schwere Störungen „meistens zurückbilden“, was nach den Feststellungen des Sachverständigen im konkreten Fall nicht zutreffe.
Damit hätten die Instanzgerichte den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Gerichte in den Vorinstanzen hätten das Vorbringen der Klägerin demnach entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht angemessen in Erwägung gezogen. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte jedoch unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit es eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden (BGH, 11. Februar 2020 – VI ZR 265/19, 8. Juni 2021 – VI ZR 1272/20).
Im vorliegenden Fall sei es nach Ansicht des BGH entscheidungserheblich und daher weiter abzuklären, ob durch eine Verharmlosung der Risiken bei der Patientin eine unzutreffende Vorstellung von dem Ausmaß der mit der Behandlung verbundenen Gefahr erzeugt worden ist.
Um diese weitere Prüfung des klägerischen Vortrags vorzunehmen, hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das OLG Koblenz zurückverwiesen.
Fazit:
Aus diesem Beschluss des BGH vom 16.08.2022 folgt für die behandelnden Ärzte und Krankenhausträger, dass sie sich im Rahmen der gebotenen Aufklärungsgespräche nicht allein darauf verlassen dürfen, den Inhalt vorformulierter Aufklärungsbögen zu verlesen. Denn diese Aufklärungsbögen können im Einzelfall zu starke Verallgemeinerungen oder gar Verharmlosungen enthalten, die den Patienten in speziellen Fällen ein unzutreffendes Bild vom Risikoprofil des Eingriffs vermitteln. Geboten ist vielmehr eine individuelle Aufklärung, die sich am konkreten Risikoprofil des jeweiligen Patienten und dessen Vorerkrankungen oder besonderer Konstitution orientiert.
Unzutreffende oder verharmlosende Angaben in Aufklärungsbögen können demgegenüber schnell zur Unwirksamkeit der Patientenaufklärung führen, weshalb ihre Inhalte stets kritisch zu hinterfragen sind.
(Michael Arndt, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht)
Zurückweisung verspäteten Vorbringens im Arzthaftungsprozess – Rettung über eine eher wenig bekannte Rechtsfigur?
Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 23.08.2022 – Az. 7 U 589/21
Natürlich wünschen sich weder die Ärzte bzw. Krankenhäuser noch deren Berufshaftpflichtversicherungen eine Arzthaftungsklage. Insbesondere medizinischen Leistungserbringern, die zuvor noch nie mit einem Arzthaftungsverfahren konfrontiert waren, ist nicht immer bewusst, dass mit der Zustellung einer Klageschrift Fristen in Gang gesetzt werden, die unbedingt einzuhalten sind. Daher kann es dazu kommen, dass eine Arzthaftungsklage erst verzögert an die zuständige Berufshaftpflichtversicherung weitergeleitet wird. In derartigen Fällen stellt sich regelmäßig die Frage, wie das Ganze noch gerettet werden kann.
Einen besonders kuriosen Fall hierzu hatte das Thüringer Oberlandesgericht zu entscheiden. In dem dortigen Verfahren ist auf Seiten der Beklagten im Grunde genommen fast alles schiefgelaufen, was schieflaufen kann.
Ausgangspunkt des erstinstanzlichen Verfahrens war eine Zahnarzthaftungsklage. Geltend gemacht wurde ein Schmerzensgeld, ein materieller Anspruch so wie ein Feststellungsanspruch. Nachdem die Klage dem Beklagten zugestellt wurde erfolgte jedoch zunächst einmal nichts. Für den Beklagten hat sich niemand bestellt. Es wurde somit zu keiner Zeit die Verteidigung für den Beklagten angezeigt.
Infolge dieses Fristversäumnisses erließ das erstinstanzliche Gericht ein Versäumnisurteil. Dem Beklagten wurde das Versäumnisurteil am 18. März 2021 zugestellt. Gegen das Versäumnisurteil hat der Beklagte nunmehr anwaltlich vertreten am 23. März 2021 Einspruch eingelegt. Dieser Einspruch wurde jedoch zunächst nicht begründet.
Das Landgericht hat sodann mit der Verfügung vom 15. April 2021 einen Einspruchstermin auf den 3. Mai 2021 bestimmt. In dieser Verfügung wies das Gericht den Beklagtenvertreter zugleich darauf hin, dass der Einspruch nicht begründet wurde.
Schließlich ging beim Landgericht am 19. April 2021 eine Einspruchsbegründung des Beklagtenvertreters ein.
Es kam sodann zu dem Verhandlungstermin am 3. Mai 2021. Im Nachgang hierzu hat das Landgericht das zusprechende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das erstinstanzliche Gericht hat sich insbesondere darauf berufen, dass es sich bei der verspäteten Einspruchsbegründung um verspäteten Vortrag handele, der gemäß §§ 340 Abs. 3, 296 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen ist. Nach Ansicht des Landgerichts ist der Beklagte somit mit seinem gesamten erst mit der verspäteten Einspruchsbegründung gelieferten Vortrag präkludiert.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt, so dass nunmehr das Thüringische Oberlandesgericht über diesen Fall zu entscheiden hatte.
Das Thüringische Oberlandesgericht hat sich jedenfalls zu der Frage des verspäteten Vortrags den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts angeschlossen. Auch nach Auffassung des Thüringischen Oberlandesgerichts ist der von Seiten des Beklagten erstmals mit der verspäteten Einspruchsbegründung, die am 19. April 2021 bei Gericht eingegangen ist, gelieferte Vortrag verspätet. Die Verspätung ist hier auch offenkundig, da die Einspruchsbegründung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei Gericht eingegangen ist. Darüber hinaus bemängelt das OLG, das von Seiten des Beklagtenvertreters keine Fristverlängerungsantrag zu Einspruchsbegründung gestellt wurde, was unproblematisch möglich gewesen wäre.
Nach den zivilprozessualen Präklusionsvorschriften müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, um den verspäteten Vortrag als präkludiert zurückzuweisen. Zunächst einmal muss das jeweilige Angriffs- und Verteidigungsmittel nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist vorgebracht worden sein. Dies ist vorliegend unzweifelhaft der Fall.
Zum anderen muss sich der Rechtsstreit bei Zulassung des verspäteten Vorbringens verzögern und die Verzögerung nicht genügend entschuldigt sein. Legt man, wie auch das OLG, den absoluten Verzögerungsbegriff zugrunde, so kommt es zunächst einmal lediglich darauf an, ob der Rechtsstreit bei Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Dies dürfte vorliegend ebenfalls gegeben sein.
Allerdings beruft sich das OLG sodann auf die Rechtsfigur des Verbotes der Überbeschleunigung. Hiernach hat der BGH in der Entscheidung vom 3. Juli 2012 – VI ZR 120/11 ausgeführt, dass die Zurückweisung verspäteten Vorbringens dann verfassungsrechtlich bedenklich sei, wenn sich ohne weiteres aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. In diesem Zusammenhang weist das OLG darauf hin, dass es nicht Sinn und Zweck der Präklusionsvorschriften sei, die prozessuale Nachlässigkeit einer Partei zu sanktionieren.
Darüber hinaus weist das OLG darauf hin, dass sich gerade in den Fällen, in denen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, regelmäßig die Frage stellt, ob dieselbe Verzögerung offenkundig nicht auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. Nach Auffassung des OLG dürfte dies im vorliegenden Fall anzunehmen sein. Daher war der verspätete Vortrag aus der Einspruchsbegründung im konkreten Fall nicht als präkludiert zurückzuweisen.
Selbstverständlich sollte es im Falle eines Arzthaftungsverfahrens zu keinerlei Fristversäumnissen gleich ob von Seiten der Partei oder der anwaltlichen Vertretung kommen. Gleichwohl dürfte es überaus hilfreich sein, wenn man für einen derartigen Fall jedenfalls in Arzthaftungsangelegenheiten um die Rechtsfigur des Verbots der Überbeschleunigung weiß. Hierdurch kann ein eventuell verloren geglaubtes Verfahren im Einzelfall noch gerettet werden. Natürlich sollte es erst gar nicht dazu kommen, sich mit dieser Rechtsfigur als „Rettungsanker“ auseinanderzusetzen.
(Dirk Benson, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht)
Zur Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität grober Behandlungsfehler (hier: Unterlassen der therapeutischen Information) und zum Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten, Urteil des BGH vom 24.05.2022 - VI ZR 206/21
Der Sachverhalt:
Die Mutter der Klägerin war zwecks Entbindung im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen worden. Die in den beiden ersten Tagen aufgezeichneten Cardiotokographien (CTG) waren unauffällig gewesen. Am dritten Tag ergab eine nach Wehen durchgeführte CTG zwar Dezelerationen, diese wiederholten sich im weiteren Verlauf jedoch nicht. Eine weitere CTG blieb unauffällig. Mehrere Stunden nach der darauf gefolgten ärztlichen Visite stellte sich die Mutter schließlich im Kreißsaal vor und gab an, dass ca. 2 Stunden zuvor Wehen eingesetzt hätten. In der daraufhin durchgeführten CTG konnten keine Herztöne des Kindes festgestellt werden, eine Sonographie ergab eine fetale Bradykardie, sodass die Klägerin wenig später durch Notsectio ohne Atmung und Herztätigkeit entbunden wurde. Nach Reanimation und intensivmedizinischer Behandlung litt die Klägerin unter einer schweren Retardierung der geistigen Entwicklung und einer deutlichen Beeinträchtigung der Hör- und Sehfähigkeit.
Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass ihre Mutter behandlungsfehlerhaft nicht auf die Brisanz von Wehen hingewiesen worden sei, weshalb sie sich bei deren Einsetzen zunächst nicht an Ärzte und Pflegepersonal gewendet habe.
Das Landgericht hatte antragsgemäß die Pflicht der Beklagten zum Ersatz sämtlichen Schadens aufgrund der Geburt und deren Vorbereitung festgestellt. Begründet wurde die Entscheidung mit der Annahme eines groben Behandlungsfehlers durch Verletzung der therapeutischen Aufklärungspflicht. Die Mutter hätte aufgeklärt werden müssen, sich bei Wehen, Ziehen oder Druck nach unten zeitig zu melden, um eine Geburt auf der Station selbst zu vermeiden. Aufgrund der somit anzunehmenden Beweislastumkehr sei die Asphyxie als kausaler Primärschaden anzunehmen. Es sei jedenfalls nicht äußerst unwahrscheinlich, dass die Kindsmutter, eine entsprechende Aufklärung unterstellt, sich früher gemeldet hätte, und dass sodann bei einer hypothetisch unterstellten CTG eine Gefährdung des Kindeswohls früher bemerkt und ihr durch Geburtseinleitung entgegengewirkt worden wäre.
Der Schutzzweckzusammenhang sei auch nicht deshalb zu verneinen, weil sich im vorliegenden Fall gar nicht das Risiko (plötzliche Geburt des Kindes auf der Station) verwirklicht hatte, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lasse. Die Behandler stünden auch in der Verantwortung für solche Gefahren (hier: Bradykardie), die bei der gebotenen Befunderhebung (CTG wegen Meldung von Wehen etc.), zwangsläufig ebenfalls erkannt würden und deren Abklärung die -Kontrolle ebenfalls diene.
Auf die Berufung der Beklagten hin hatte das OLG den Tenor dahingehend geändert, dass die Ersatzpflicht auf durch die Asphyxie bedingte Schäden begrenzt sei. Die weitergehende Berufung der Beklagten war abgewiesen worden. Mit der Revision verfolgte die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter, die Klägerin begehrte mit ihrer Anschlussrevision die Wiederherstellung des Feststellungsurteils der 1. Instanz.
Die Revision der Beklagten zum BGH hatte teilweise Erfolg. Auch der Klägerin war mit ihrer Anschlussrevision ein Erfolg beschieden.
Die Entscheidung:
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Dies zwar nicht insofern, als die unterlassene Aufklärung der Mutter als grober Behandlungsfehler gewertet worden war. Doch wollte der BGH die angenommene Beweislastumkehr nicht ohne weiteres gelten lassen.
Dass medizinischer Zweck der Aufklärung auch eine umgehende CTG bei geringsten Anzeichen von Wehen sei und dass im Hinblick auf diesen Zweck eine Verkennung gerade dieses Risikos den Behandlungsfehler als grob erscheinen lasse, hatte in den Ausführungen des Sachverständigen keine Stütze gefunden und war aus Sicht des BGH eine unter Verstoß gegen § 286 ZPO gezogene bloße Schlussfolgerung des Berufungsgerichts.
Darüber hinaus könnten auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Bestehen des Schutzzweckzusammenhangs keinen Bestand haben.
Das vom OLG angeführte Argument, dass bei einer Kontaktaufnahme der Mutter wegen kleinster Anzeichen von Wehen immer eine CTG geboten sei, stelle lediglich ein Argument für das Bestehen des Ursachenzusammenhangs dar, nicht aber auch des Zurechnungszusammenhangs unter Schutzzweckgesichtspunkten. Feststellungen dazu, dass die hier eingetretene vorgeburtliche Asphyxie zu den Komplikationen einer Frühgeburt gehört, die durch die therapeutische Information vermieden werden sollen, seien nicht getroffen worden.
Schließlich sollte auch die Anschlussrevision der Klägerin begründet sein. Denn für die vom OLG vorgenommene Beschränkung der festgestellten Ersatzpflicht auf solche Schäden, welche die Klägerin wegen der Asphyxie als Primärverletzung erlitten hatte, finde sich im Rahmen der getroffenen Feststellungen keine tragfähige Grundlage.
Es sei nicht zu erkennen, warum die Bradykardie ausgeklammert werden sollte, zu der es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor der Geburt gekommen war und für die das Landgericht - neben der Asphyxie - den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang mit dem Behandlungsfehler ebenfalls bejaht hatte.
Die Bewertung:
Die Entscheidung erweist erneut exemplarisch, wie diffizil die Aufgaben des erkennenden Gerichts bei der Annahme eines groben Behandlungsfehlers beschaffen sein können und welch detaillierte Handhabung der Arzthaftungsdogmatik hier mitunter doch noch vonnöten ist. Dies gerade im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Feststellungen der einschlägigen Tatsachen in Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen. Dies veranschaulicht der vorliegende Fall, in dem es gerade um die Besonderheiten der sogenannten „Sicherungsaufklärung“ ging (alternativ: „therapeutische Aufklärung“, nunmehr auch normiert im BGB in §§ 630 c II S.1 und 2, II S.2, 630f II). Verstöße in diesem Bereich werden nicht als Aufklärungsfehler, sondern als Behandlungsfehler gehandhabt. Dies hat dem Fall eine zusätzliche Komplexität gegeben.
Nicht selten wird in dem Moment, wo der Sachverständige einen schlechterdings unverständlichen Fehler zu erkennen meint, von Seiten des Gerichts schon die Beendigung der Sache in den Blick genommen, obwohl auch dann noch ein weiteres „Programm“ abzuarbeiten sein kann. So war es hier mit den Fragen der Zielrichtung der Aufklärung, der Einordnung eines Aufklärungsverstoßes als grober Behandlungsfehler, der Tenorierung des Primärschadens und mit dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm.
(Dr. iur Philipp Brennecke, LL.M oec., Rechtsanwalt)
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2021 – Az. VI ZR 277/19
Anforderungen an den Patientenvortrag im Fall des Einwandes der hypothetischen Einwilligung
Der Sachverhalt
Bei der Klägerin wurde eine Kniegelenksendoprothese implantiert. Zur perioperativen Schmerztherapie wurde bei ihr ein sog. „Doppelkatheter“ gelegt. In der Folge wurden bei der Klägerin irreparable Schädigungen des Nervus peroneus, des Nervus tibialis und des Nervus suralis festgestellt.
Die Klägerin behauptete Behandlungs- und Aufklärungsfehler.
Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten, anästhesiologischen Sachverständigen habe es zur postoperativen Analgesie bei Knie-TEPs mehrere Alternativen zu der Anlage eines Doppelkatheters gegeben. Letztlich würden aber im Hinblick auf eine effektive Analgesie und frühe Mobilisation die Vorteile eines peripheren Katheterverfahrens überwiegen.
Das LG Bielefeld war u. a. der Auffassung, dass eine Aufklärung über die Behandlungsalternativen zu dem verwendeten Doppelkatheter mangels Gleichwertigkeit nicht erforderlich gewesen sei und hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.08.2018, Az. 4 O 119/14). Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein.
Das OLG Hamm hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 28.05.2019, Az. 26 U 166/18).
Das Berufungsgericht führte aus, dass der anästhesiologische Sachverständige durchaus mehrere gleichwertige Behandlungsalternativen angegeben habe.
Die Klägerin hat eine entsprechende Aufklärung bestritten, eine solche war auch nicht dokumentiert.
Die Beklagten konnten sich nach der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch erfolgreich auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen. Dies mit der Begründung, dass der Klägerin die Darstellung eines echten Entscheidungskonfliktes nicht gelungen sei. Hierzu stellte das Berufungsgericht darauf ab, dass die Klägerin nicht plausibel dargelegt habe, dass sie sich damals anders entschieden hätte. Denn sie habe in Kenntnis des Risikos eines Nervenschadens den Eingriff durchführen lassen und sich den Schmerzkatheter setzen lassen.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen, wogegen die Klägerin eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH einlegte.
Die Entscheidung
Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts durch das Urteil vom 07.12.2021 teilweise aufgehoben und den Rechtsstreit zurück an das OLG Hamm verwiesen.
Der 6. Zivilsenat des BGH hat zugunsten der Klägerin im Revisionsverfahren nunmehr unterstellt, dass eine Aufklärung über Behandlungsalternativen nicht erfolgt ist.
Gleichwohl war der Senat der Auffassung, dass eine Aufklärung über einen Teil der alternativen Behandlungsmöglichkeiten erforderlich gewesen sei.
Der Senat führte in seiner Entscheidung aus, dass sich der Behandler im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung zwar grundsätzlich auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen könne. An einen solchen Nachweis seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen, damit hierdurch nicht der Aufklärungsanspruch des Patienten unterlaufen werde.
Der Senat stellte klar, dass die Beweislast bei dem Arzt, der sich auf diesen Einwand beruft, liegt, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel dargelegt habe, dass er im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte.
Dabei betonte der Senat, dass an die diesbezügliche Substantiierungspflicht des Patienten keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Es sei insbesondere nicht erforderlich, dass der Patient plausibel darlege, dass er sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung auch tatsächlich gegen die durchgeführte Maßnahme entschieden hätte.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen habe das Berufungsgericht die Anforderungen an die plausible Darlegung eines Entscheidungskonfliktes überspannt. Denn es habe die plausible Darlegung eines echten Entscheidungskonfliktes durch die Klägerin mit der Begründung verneint, dass ihre Angaben nicht für eine plausible Darlegung einer damaligen anderen Entscheidung ausreichen würden. Darauf komme es nach der Auffassung des 6. Zivilsenats aber im Rahmen der plausiblen Darlegung eines echten Entscheidungskonfliktes gerade nicht an.
Die praktischen Auswirkungen
Das Urteil des BGH veranschaulicht das bekanntermaßen auf Seiten der Behandler im Falle einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Aufklärung bestehende Haftungsrisiko, gerade bei einer fehlenden Aufklärung über Behandlungsalternativen.
Der BGH stärkt mit dieser Entscheidung die Patientenrechte im Rahmen der Aufklärung, indem er betont, dass an den Vortrag eines Patienten zum Entscheidungskonflikt jedenfalls keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Insbesondere muss der Patient nicht plausibel darlegen, dass er sich tatsächlich gegen einen Eingriff entschieden hätte.
Sofern der Patientenvortrag zum Entscheidungskonflikt aus Sicht des Gerichts plausibel ist, liegt die Beweislast nach der Auffassung des 6. Zivilsenats bei dem Arzt, der sich auf die hypothetische Einwilligung beruft. Die erfolgreiche Führung dieses Beweises durch die Behandler dürfte sich im Prozess oftmals schwierig gestalten.
Es wird erneut deutlich, dass eine Berufung der behandelnden Ärzte auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung im Prozess nicht immer erfolgreich gelingt. Um das Haftungsrisiko hinsichtlich der Aufklärung zu minimieren, ist es empfehlenswert, dass stets auch eine Aufklärung über Behandlungsalternativen mitberücksichtigt und entsprechend ausführlich dokumentiert wird.
(Luisa-Maria Hartmann, Rechtsanwältin)
BGH, Urteil vom 22.03.2022- Az.: VI ZR 16/21
Keine taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes in Fällen von Dauerschäden
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Arzt ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 180.000 Euro. Sie wurde im Jahr 2006 nach einer zunächst eingeleiteten Vaginalgeburt im Wege einer Notsectio geboren. Bei ihrer Mutter war im Jahr 2003 bei einer früheren Geburt eine elektive Sectio durchgeführt worden. Bei der mit Hilfe von Prostaglandin eingeleiteten Geburt der Klägerin kam es zu einer plötzlichen Uterusruptur und die Klägerin wurde in schwer deprimiertem Zustand entwickelt. Das Landgericht hat den beklagten Arzt zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500.000 Euro verurteilt, zudem wurde er verurteilt, der Klägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus ihrer Geburt zu ersetzen. Die Haftung des Beklagten begründete sich in einem Aufklärungsversäumnis, da er die Mutter der Klägerin nicht auf das erhöhte Risiko einer Uterusruptur bei vaginaler Geburt nach vorausgegangener Sectio und bei einer Geburtseinleitung mittels Prostaglandin nicht über eine Sectio als Alternative zur Vaginalentbindung aufgeklärt hatte. Die Klägerin leidet seit ihrer Geburt unter einen infantilen globalen dyskinetischen Cerebralparese mit Störung des Bewegungsapparates und gravierenden Koordinationsstörungen. Betroffen sind die psychischen und kognitiven Bereiche sowie die Persönlichkeitsbildung. Die Klägerin kann nicht sprechen, nicht allein essen, nicht lesen und nicht schreiben. Sie kann nicht laufen, nicht stehen und nur mit Hilfsmitteln sitzen, sie ist inkontinent, Sehkoordination und Hörfähigkeit sind herabgesetzt, ein Halten des Kopfes ist maximal 60 Sekunden möglich. Die Klägerin ist in Pflegestufe 5 eingeordnet.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage ein Schmerzensgeld von mindestens 680.000 Euro. Die Berufung der Klägerin wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision zum BGH begehrt die Klägerin ein weitergehendes Schmerzensgeld in Höhe von 180.000 Euro. Sie führt aus, dass das Berufungsgericht in Anbetracht der lebenslänglichen schwerwiegenden Dauerschäden das Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Euro unter Missachtung einer Plausibilitätskontrolle anhand der Methode einer taggenauen Schmerzensgeldberechnung zu niedrig bemessen habe, da bei Anwendung einer taggenauen Berechnungsmethode ihr bei einer Lebenserwartung von 83 Jahren und einem Tagessatz von 40 Euro ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200.000 Euro zustünde.
Die Entscheidung:
Der BGH hat die Revision der Klägerin verworfen. Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes ist im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei sind einzelne Umstände nicht isoliert zu betrachten, sondern im Wege einer Gesamtbetrachtung zu würdigen, der Schwerpunkt dabei bilden die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung. Dabei stellt die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes nach Rechtsauffassung des BGH kein geeignetes Kriterium zur Bildung einer einheitlichen Entschädigung aufgrund einer Gesamtbetrachtung, da sie zu einer rechtsfehlerhaften Betonung der Schadensdauer führt. Darüber hinaus ist der Ansatz eines Tagessatzes von 40,00 Euro beliebig und nicht nachvollziehbar. Die Methode ist auch nicht bei Dauerschäden im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle anzuwenden.
Die praktischen Auswirkungen:
Die Entscheidung des BGH ist eine konsequente Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung. Der BGH hatte bereits mit Entscheidung vom 15.02.2022, Az.: VI ZR 16/21, klargestellt, dass für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles möglich ist, sondern es um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände geht. Die einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild lasse sich auch nicht streng rechnerisch ermitteln. Aus diesem Grunde hatte der BGH der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes eine Absage erteilt. Mit der weiteren Entscheidung vom 22.03.2022 stellt er noch einmal klar, dass diese Methode auch nicht geeignet ist, um im Wege einer Plausibilitätskontrolle Einwendungen gegen die Schmerzensgeldhöhe bei einem lebenslangen Dauerschaden zu erheben.
Es verbleibt danach dabei, der Tatrichter auch bei Fällen, in denen der Geschädigte einen lebenslangen Dauerschaden erlitten hat, alle Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen hat, die fallprägenden Umstände im Verhältnis zueinander zu gewichten hat und auf der Basis von Maß und Höhe der Lebensbeeinträchtigung, die schwerpunktmäßig zu berücksichtigen sind, eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen hat.
(Nathalie Mix, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, Fachanwältin für Versicherungsrecht)
OLG Dresden Beschluss vom 12.08.2022 4 U 583/22
Der Kläger machte vor dem Landgericht Chemnitz mit seiner Klage Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend und die Feststellung, dass die Beklagt verpflichtet sei, auch die weiteren sowie zukünftigen Schäden zu ersetzen habe. Gerügt wurde hier eine fehlerhafte Behandlung sowie eine unzureichende Aufklärung. Nach klägersicher Auffassung sei die endovaskuläre Stentimplantation fehlerhaft durchgeführt worden. Des Weiteren sei der Kläger im Zusammenhang mit der endovaskulären Stentimplantation insbesondere über das Risiko einer Querschnittslähmung bzw. spinalen Ischämie nicht aufgeklärt worden. Im Übrigen sei die Aufklärung durch den Assistenzarzt am Vortag zur Operation verspätet erfolgt und ein Assistenzarzt sei überhaupt nicht qualifiziert, einen Patienten über einen derartigen Eingriff aufzuklären. Dies sei allein dem Facharzt möglich.
Das Landgericht Chemnitz hat nach Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens mit Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung sowie der Anhörung von mehreren Zeugen zu den Aufklärungsgesprächen die Klage als unbegründet abgewiesen.
Mit der Berufung vor dem Oberlandesgericht Dresden verfolgte der Kläger seine Ansprüche dann weiter.
Das OLG Dresden wies mit Beschluss vom 12.08.2022 darauf hin, dass die Berufung wenig Aussicht auf Erfolg habe. Zum einen habe das Landgericht zu Recht festgestellt, dass ein Behandlungsfehler nicht vorliege. Der Sachverständige habe insoweit überzeugend erklärt, dass die endovaskuläre Stentimplantation nach dem damals maßgeblichen medizinischen Standard fachgerecht durchgeführt worden sei. Es sei insbesondere auch an das Risiko einer Durchblutungsstörung des Rückenmarks gedacht worden und ein Katheter zur Drucksenkung implantiert worden. Gleichwohl sei es zur schicksalhaften Ausbildung einer Durchblutungsstörung des Rückenmarks gekommen.
Abgesehen davon sei der Kläger auch ordnungsgemäß über die Risiken aufgeklärt worden. Der Kläger sei insoweit präoperativ insbesondere auch über das Risiko einer Querschnittslähmung ordnungsgemäß informiert worden. Dies hätten die aufklärenden Ärzt überzeugend anlässlich ihrer Anhörung vor dem Landgericht Chemnitz dargestellt. Der Assistenzarzt hatte insoweit insbesondere ausdrücklich angegeben, den Kläger anhand des vorliegenden Aufklärungsbogens umfassend über den Eingriff einschließlich der Risiken aufgeklärt zu haben, was der Kläger auf Nachfrage des Landgerichts dann auch bestätigt hatte. Des Weiteren gab der Assistenzart nach gerichtlicher Auffassung glaubhaft an, auch das Risiko einer spinalen Ischämie ausdrücklich angesprochen zu haben. Dieses angesprochene Risiko wurde dann auch entsprechend im Aufklärungsbogen von dem Assistenzarzt ausdrücklich vermerkt.
Im Übrigen wurde der Kläger im Vorfeld der stationären Aufnahme und zwar anlässlich seiner Vorstellungen in der ambulanten Sprechstunde vom Chefarzt über den Eingriff aufgeklärt.
Dies habe der Chefarzt anlässlich seiner Anhörung bestätigt. Zudem habe der Chefarzt anlässlich der erstinstanzlichen Verhandlnug überzeugend erklärt, dass er bevor die Operation in der Sprechstunde vereinbart werde unter anderem die Operation erläutere und in diesem Zusammenhang auch das Risiko einer spinalen Ischämie erwähnt habe.
Auch die klägerischen Einwände, die Aufklärung zur endovaskulären Stentimplantation sei verspätet erfolgt und der aufklärende Assistenzarzt habe nicht die notwendige Ausbildung bzw. Kenntnis über die Operation gehabt, um das Aufklärungsgespräch sachgerecht führen zu können, greife im Ergebnis nicht durch.
Zum einen erfordere eine ordnungsgemäße Aufklärung keine Facharztausbildung. Zum anderen könne eine Aufklärung am Vortag der operativen Behandlung noch rechtzeigt sein, insbesondere wenn dem Patienten aufgrund von Vorgesprächen die in Betracht kommenden Therapie bereits bekannt war.
Das Urteil des OLG Dresden steht vollständig im Einklang mit der bisherigen bekannten Rechtsprechung und überrascht nicht.
Gleichwohl wird der Vorwurf, dass ein Assistenzarzt nicht in der Lage sei, sachgerecht über eine Operationen aufzuklären, relativ oft von der Klägerseite vorgebracht.
Nach bisheriger Rechtslage darf einem Arzt in Ausbildung die Selbstbestimmungsaufklärung des Patienten übertragen werden, wenn er aufgrund seines Ausbildungsstandes in der Lage ist, die konkret beim Patienten vorliegende Erkrankung und die erforderliche Behandlung zu beurteilen. Das bedeutet, dass dem Assistenzarzt aufgrund seines Ausbildungsstandes sämtliche für die Aufklärung bedeutenden Umstände bekannt sind oder der Inhalt der Aufklärung zuvor mit dem Oberarzt oder dem Stationsarzt besprochen wurde.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich bei schwierigen bzw. risikobehafteten Eingriffen der Chef- oder Oberarzt, der die Risikoaufklärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt übertragen hat, darlegen und beweisen muss, welche organisatorischen Maßnahmen ergriffen wurden, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren. Dies kann etwa in einem kurzen Gespräch mit dem Patienten erfolgen, in dem der Chef- oder Oberarzt sich versichert, dass der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde und alles verstanden hat. Eine andere Möglichkeit ist die Kontrolle der Behandlungsunterlagen, insbesondere die Überprüfung des vorliegenden Aufklärungsbogens, dass eine verständliche Aufklärung unter Hinweis auf die spezifischen Risiken erfolgt ist, ist in der Regel ausreichend.
In diesem Zusammenhang kann nicht oft genug betont werden, dass der aufklärende Arzt –egal ob Assistenzarzt oder Facharzt – das durchgeführte Aufklärungsgespräch dokumentiert.
Angemerkt sei insoweit, dass viele Ärzte davon ausgehen, dass lediglich das Aufklärungsgespräch anhand des Aufklärungsbogens entscheidend sei, weshalb oftmals auf Nachfrage nur der Tag des Gesprächs anhand des Aufklärungsbogens angegeben wird. Bekanntermaßen kommt es aber auf das tatsächliche mündliche Gespräch an, das oft mit einem kurzen Vermerk in der Krankenakte dokumentiert wird.
Es lohnt sich somit auch der Blick in die Ambulanzakte. Hier wird oft in einer kurzen handschriftlichen Notiz vermerkt, dass der Patient über die empfohlene Behandlung informiert und der Operationstermin vereinbart wurde. Selbstverständlich handelt es sich auch insoweit um ein Aufklärungsgespräch. Auch im pflegerischen und/oder ärztlichen Verlaufsbericht wird oft festgehalten, dass der Patient keine weiteren Fragen zur Operation habe.
(Tanja Bjelajac, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht)
Wir bedanken uns für Ihr Interesse.
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