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Wichtige Neuerungen zum Arbeitszeitrecht

Für jeden Betrieb, ob in einer ärztlichen Praxis, einem MVZ, einer Pflegeeinrichtung oder einem Klinikum, sind für die Mitarbeiter die geltenden Arbeitszeitregelungen zu beachten.

In diesem Zusammenhang sind aktuell gravierende gesetzliche Neuerungen in Kraft getreten und richtungsweisende Urteile ergangen.

So hat der Gesetzgeber vor wenigen Wochen, am 28.03.2020, den § 14 Abs. 4 ArbZG eingeführt, mit dem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) während der aktuellen Corona-Pandemie vorübergehende Änderungen zum Arbeitszeitgesetz vornehmen kann. Von dieser Möglichkeit hat das BMAS auch unmittelbar Gebrauch gemacht und neue Regelungen zum Arbeitszeitgesetz erlassen, die am 10.04.2020 in Kraft getreten sind und die jeder Arbeitgeber beachten sollte. Gerade die Krankenhaus- und Pflegebetriebe  sind von diesen Neuregelungen betroffen.

Für diese - und weitere Branchen - sieht die neue Verordnung, die sogenannte: „Covid-19-Arbeitszeitverordnung“, folgende wichtige Änderungen zur bisherigen Gesetzeslage vor:

  • Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer in diesen Branchen kann nun auf bis zu 12 Stunden verlängert werden. Dies jedenfalls dann, wenn die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen, einschließlich einer notwendigen Arbeitszeitdisposition oder durch Neueinstellungen etc. vermieden werden kann. Wie bisher muss eine solche Verlängerung der Arbeitszeit innerhalb von 6 Monaten aber dadurch ausgeglichen werden, dass die Durchschnittsarbeitszeit über 6 Monate 8 Stunden werktäglich nicht überschreitet. Die wöchentliche Arbeitszeit darf jedoch – abgesehen von dringenden Ausnahmefällen – nicht über 60 Stunden liegen.

  • Arbeitnehmer in diesen Branchen dürfen grundsätzlich auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sofern die Tätigkeit nicht an Werktagen vorgenommen werden kann. Ein Ersatzruhetag für eine Tätigkeit an einem Sonntag kann nunmehr auch erst nach 8 Wochen gewährt werden, spätestens jedoch bis zum 31.07.2020, an dem diese Sonderregelungen außer Kraft treten sollen, sofern bis dahin keine Verlängerung dieser Sonderregelung beschlossen wird.

  • Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu 2 Stunden verkürzt werden. Allerdings muss dabei eine Mindestruhezeit von 9 Stunden eingehalten werden. Verkürzungen der Ruhezeit sind dann innerhalb von 4 Wochen wieder auszugleichen.

Neben diesen gesetzlichen Neuerungen zur Arbeitszeit sind zuletzt auch aufsehenerregende Urteile zu diesem Thema ergangen. Dabei sind insbesondere das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 20.02.2020, Aktenzeichen: 2 Ca 94/19, und das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs  vom 14.05.2019 zu nennen.

Wie so oft, ging es in den Fällen, die diesen beiden Urteilen zugrunde lagen, um die Frage, inwieweit die von einem Arbeitgeber angesammelten Überstunden abzugelten und zu vergüten waren.

Zu dieser Frage hatte im letzten Jahr zunächst der Europäische Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung getroffen (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Aktenzeichen: Z-55/18). Danach wurde den Mitgliedsstaaten, mithin auch der Bundesrepublik Deutschland, vom Europäischen Gerichtshof aufgegeben, Regelungen zu erlassen, um Arbeitgeber zu verpflichten, sämtliche Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten aufzuzeichnen und im Betrieb ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. In Deutschland ist eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung bislang aber noch immer nicht eingeführt worden.

Das Arbeitsgericht Emden hat den Gesetzgeber in seinem nun veröffentlichen Urteil allerdings bereits „überholt“. Das Arbeitsgericht Emden hat in seinem Urteil vom 20.02.2020 ausgeführt, dass sich aus dem vorbenannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs und der EU-Grundrechte-Charta bereits eine Verpflichtung der Arbeitgeber zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit für Arbeitnehmer ergebe – unabhängig davon, ob der deutsche Gesetzgeber selbst bereits dahingehende Vorgaben erlassen hat. Soweit ein solches Arbeitszeiterfassungssystem in einem Betrieb nicht vorgehalten wird, verstoße der Arbeitgeber nach Ansicht des Arbeitsgerichts Emden dadurch gegen die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und handele damit pflichtwidrig.

Unmittelbare Konsequenz dieses „Verstoßes“ sei für den Arbeitgeber, dass er vor Gericht den Vortrag des Arbeitnehmers, dieser habe vermeintlich eine Vielzahl von Überstunden auf Anweisung des Arbeitgebers geleistet, nicht widerlegen kann.

Auch wenn dieses Urteil des Arbeitsgerichts Emden noch nicht der herrschenden Meinung entspricht und sich in der Literatur bereits Widerspruch gegen diese Feststellungen findet, kann hier nur jedem Arbeitgeber geraten werden, entsprechende Zeiterfassungssysteme umgehend einzurichten. Anderenfalls kann es, wie im Falle des Arbeitsgerichts Emden, passieren, dass bereits durch das Unterlassen der Einrichtung eines solchen Systems ein Pflichtverstoß des Arbeitgebers angenommen wird. Jedenfalls, und dies ist zumindest bereits von dem Europäischen Gerichtshof als Grundsatzentscheidung festgehalten worden, bestehen erhebliche Beweislastnachteile des Arbeitgebers in einem Rechtsstreit über die Vergütung vermeintlich geleisteter Mehrarbeit.

gez. MA/ 12.05.2020

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