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Strafbarkeit der rein religiösen Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigem Jungen (Mit Anmerkung von Dr. Alexandra Jorzig)

Das Landgericht Köln hatte im Rahmen einer Berufung der Staatsanwaltschaft Köln über die Strafbarkeit von Beschneidungen nicht einwilligungsfähiger Jungen aus rein religiösen Gründen zu entscheiden. Nach dem erstinstanzlichen Freispruch vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung (AG Köln, Urt. v. 21.09.2011 – 528 Ds 30/11) hat das Landgericht Köln mit Urteil vom 07.05.2012 (151 Ns 169/11) die grundsätzliche Strafbarkeit der Zirkumzision bejaht, wenngleich eine Verurteilung in diesem konkreten Fall aus rechtlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht kam.

Der Anklagte, ein niedergelassener Allgemeinmediziner, hatte im November 2010 eine – vollkommen lege artis zu qualifizierende - Beschneidung eines vierjährigen Jungen durchgeführt, ohne dass eine medizinische Indikation vorlag. Die Eltern des Kindes, die dem islamischen Glauben angehören, hatten zuvor eine entsprechende Einwilligung erteilt.

Das Amtsgericht Köln führte zur Begründung des erstinstanzlichen Freispruchs aus, dass der Eingriff aufgrund der wirksamen Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern gerechtfertigt gewesen sei. Die Entscheidung habe sich an dem Wohl des Kindes ausgerichtet, da die Zirkumzision als traditionelle Handlungsweise der Dokumentation der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit diene, womit auch einer Stigmatisierung des Kindes entgegengewirkt werde. Ferner dürfe nicht verkannt werden, dass die Zirkumzision auch im amerikanischen und angelsächsischen Raum aus hygienischen Gründen einen wichtigen Stellenwert einnehme.

Die seitens der Staatsanwaltschaft Köln gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Köln mit Urteil vom 07.05.2012 verworfen (Az. 151 Ns 169/11), so dass der ursprüngliche Freispruch in Rechtskraft erwachsen ist. Zur Begründung führte die Kammer des Landgerichts Köln aus, dass der äußere Tatbestand der einfachen Körperverletzung zwar erfüllt sei. Dieser Eingriff sei insbesondere nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, weil sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Denn im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung überwiege das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit vorliegend die Grundrechte der Eltern. Ihre Religionsfreiheit und ihr Erziehungsrecht würden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten seien abzuwarten, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheidet.

Das Gericht hat den Freispruch im Ergebnis dennoch bestätigt, weil der Angeklagte sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe. Er habe angenommen, dass sein Handeln rechtmäßig gewesen sei. Dieser Irrtum sei für ihn unvermeidbar gewesen, da die zugrunde liegenden Rechtsfragen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet würden.
(Quelle: Urteil des LG Köln vom 07.05.2012 - 151 Ns 169/11 - ; Pressestelle des LG Köln)

Anmerkung und Beraterhinweis:
Ein solches Urteil wurde seit langer Zeit erwartet, da sich die Rechtsprechung bislang nicht wirklich diesem Problem gewidmet hatte (vgl. Jorzig „Die Zirkumzision im Spannungsfeld zwischen Glaubenstradition und Strafrecht“, FS AG RAe MedR e.V. 2011, 184 f.). Eine eindeutige und abstrahierbare, für den Alltag taugliche Lösung existierte nicht. Dass das Gericht nun die religiöse, nicht indizierte Beschneidung für strafbar hält, da die Eltern nicht rechtswirksam einwilligen könnten, ist als bedenklich anzusehen, da es gegen das Recht auf Religionsfreiheit verstößt. Es ist jahrtausendealte Tradition die Beschneidung aus religiösen Gründen im frühesten Kindesalter durchzuführen. Durch das Urteil würde die Ausübung der Religionsfreiheit massivst limitiert, wenn nicht sogar gänzlich beseitigt. Insbesondere im Judentum und im Islam stellt die Beschneidung eine elementare religiöse Pflicht dar.
Da durch die Beschneidung des Jungen keinerlei Funktionsverlust eintritt, stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Schädigung des Kindeswohls eintritt, wenn die Eltern die Beschneidung durchführen lassen. Das Kindeswohl könnte sehr viel mehr durch den Ausschluß aus der religiösen Gemeinschaft geschädigt werden, da es dann aufgrund der fehlenden Riten nicht mehr zur Religionsgemeinschaft gehören und stigmatisiert würde. Als Folge wird die latente Gefahr der Auslandsbehandlung (im gesamten Ausland ist die rituelle Beschneidung bei Jungen erlaubt) oder der Nutzung „unsauberer“ Gelegenheiten bzw. Methoden zu erwarten sein. Daraus resultiert eine erheblich höhere Gefährdung des Kindeswohls. Die Verweisung auf eine spätere Beschneidung, wenn das Kind einwilligungsfähig wäre, käme zu spät, da gerade in der pubertären Entwicklung eine Aussenseiterrolle durch Nichtbeschneidung in der Gemeinschaft entstehen könnte.
M.E. ist somit die Rechtsauffassung des Urteils des LG Köln nicht zu teilen. Die rituelle Beschneidung eines Jungen, die auf jahrtausendealter Tradition beruht, nunmehr unter Strafe zu stellen, erachte ich als nicht sachgerecht und macht einen an sich korrekt handelnden Arzt zu einem Straftäter, was er mitnichten ist.

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