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Rufbereitschaftsverpflichtung kann auch konkludent “angeordnet“ werden

(Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2015, Az.: 7 Sa 418/15)

Der Fall:

Der Kläger ist in dem von der Beklagten betriebenen Seniorenzentrum als Hausmeister tätig. Seine Arbeitszeit ist montags - freitags von 07:30 Uhr bis 15:30 Uhr. 

Die Beklagte hatte dem Kläger ein “dienstliches“ Mobiltelefon zum Mitführen auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten zur Verfügung gestellt. In ihrem Seniorenzentrum führt die Beklagte einen sogenannten Notfall-Ordner, in welchem (u.a. auch) die mobile Rufnummer des dienstlichen Mobiltelefons des Klägers unter der Bezeichnung “Bereitschaft“ enthalten war. Im Störungsfall sollte diese Bereitschaftsnummer angerufen werden. Bei Störungen haustechnischer Anlagen sollte immer zuerst der Hausmeister informiert werden, dessen Name und mobile Rufnummer unter mehreren Ansprechpartnern als Erste aufgeführt waren.

Die Beklagte leistete an den Kläger monatlich gesonderte Bruttovergütungszahlungen (i.H.v. 127,82 EUR), welche sie in den Verdienstabrechnungen jeweils als Vergütung für “Bereitschaftsdienst“ auswies. Dies geschah im Zusammenhang damit, dass die Beklagte dem Kläger ein dienstliches Mobiltelefon zum Mitführen auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten zur Verfügung gestellt hatte.

Der Kläger, kontaktiert über sein dienstliches Mobiltelefon, leistete Dienste für seine Arbeitgeberin auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Nachdem etliche Dienstzeiten außerhalb der regulären Arbeitszeiten angefallen waren, forderte der Kläger von seiner Arbeitgeberin die Vergütung seiner Rufbereitschaftsdienste mit Beträgen weit über die regelmäßig monatlich erhaltenen 127,82 EUR brutto hinaus. Die Arbeitgeberin zog daraufhin sofort das dienstliche Mobiltelefon ein.

Der Kläger obsiegte rechtskräftig.

Die Erkenntnis:

Bereitschaftsdienst leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit sofort aufzunehmen.

Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit alsbald aufzunehmen.

Um der Anzeigepflicht des Arbeitnehmers betreffend seinen jeweiligen Aufenthalt gegenüber dem Arbeitgeber nicht durchgängig aktiv nachkommen zu müssen, kann der Arbeitgeber seinen Beschäftigten auch mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausstatten, welches ständig empfangsbereit sein muss. Damit wird die Rufbereitschaft nicht ausgeschlossen, sondern sie bleibt über das stets zur Verfügung stehende technische Hilfsmittel bestehen, sprich angeordnet.

Entscheidend ist, ob Rufbereitschaft angeordnet ist oder nicht, also dass über die normale vergütungspflichtige Arbeitszeit hinaus, somit während der Freizeit und deren grundsätzlich freier Gestaltung, die Notwendigkeit einer Aufmerksamkeit auf mögliche Dienstverpflichtungen und Diensteinsätze angeordnet wird.

Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont konnte von dem Kläger die Überlassung des dienstlichen Mobiltelefons in Verbindung mit der Angabe der Telefonnummer und seines Namens im Notfall-Ordner der Arbeitgeberin als Anordnung verstanden werden, sich auch außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit bereitzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Mit dieser Anordnung erklärte sich der Kläger seinerseits - auch für seine Arbeitgeberin ersichtlich - konkludent einverstanden, indem er das Mobiltelefon annahm und außerhalb seiner regulären Arbeitszeit auf eingehende Anrufe mit Arbeitseinsätzen reagierte.

Eine ernsthaft gemeinte Freiwilligkeit, ohne eine ausdrückliche und für den Arbeitnehmer unmissverständliche Klarstellung, ist in einem solchen Fall nicht anzunehmen. Die Arbeitgeberin hatte Regelungen getroffen, welche die vorrangige Inanspruchnahme des Klägers vorsahen (Notfall-Ordner). Die gleichzeitige Benennung weiterer möglicher Ansprechpartner im Falle eines Notfalls schlossen dabei die Rufbereitschaft für den Kläger nicht aus. Wesentlich ist, dass für ihn durchgängig ein Abrufrisiko mit einer einhergehenden Erreichbarkeitsverpflichtung bestand. 

Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz: Der Anordnung oder Vereinbarung von Rufbereitschaftsdiensten steht nicht entgegen, dass eine ständige Anordnung zur Rufbereitschaftsverpflichtung gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetztes verstoßen könnte bzw. dürfte. Eine etwaige Rechtswidrigkeit angeordneter Rufbereitschaft entbindet den Arbeitgeber nicht davon, diese zu vergüten, wenn sie vom Arbeitnehmer (gleichwohl) geleistet wird.
Erfährt die Aufsichtsbehörde von diesem Vorgang, belegt sie den Arbeitsgeber mit empfindlichen Geldbußen wegen Verstoßes gegen das ArbZG, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Dienste (ordnungsgemäß) vergütet hat oder nicht.

Das Fazit:

Die Anordnung einer Rufbereitschaftsverpflichtung kann auch konkludent erfolgen. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber zwar nicht ausdrücklich und förmlich Rufbereitschaft anordnet, aber für Zeiträume außerhalb der üblichen Arbeitszeit, also in die Freizeit hinein, irgendeine Form der Erreichbarkeit oder Kontaktierbarkeit (etwa für Notfälle) erwartet respektive vorschreibt.

Helge Rust
21.08.2017 

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