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OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 04.05.2023, 8 U 127/21: Kein Schadensersatz für Kleinkind bei Aspiration und erlittener schwerer Hirnschädigung nach intravenöser Antibiotikagabe

Das OLG Frankfurt a. M. hat am 04.05.2023 (8 U 127/21) entschieden, dass die intravenöse Verabreichung eines Antibiotikums bei einem Kleinkind mit Blick auf ein Aspirationsrisiko sich auch dann nicht als behandlungsfehlerhaft darstellt, wenn die Umstände den Rückschluss zulassen, dass das Kleinkind kurz zuvor Nahrung zu sich genommen hat.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde der Kläger, ein 14 Monate altes Kleinkind, wegen einer obstruktiven Bronchitis sowie einer drohenden respiratorischen Insuffizienz stationär behandelt. Die im Krankenhaus tätige Kinderkrankenschwester verabreichte dem Kläger im Beisein der Mutter intravenös ein Antibiotikum, dabei war für sie erkennbar, dass der Kläger kurz zuvor noch Nahrung zu sich genommen hatte, denn der Kläger hielt noch einen Kartoffelchip in der Hand und auf dem Nachttisch lagen sichtbar Apfelstücke. Während der intravenösen Antibiotikagabe begann der Kläger zu schreien und wurde bewusstlos, weil er sich an einem Apfelstück verschluckt hatte, welches die Luftröhre verschloss. Der Kläger erlitt infolgedessen einen hypoxischen Hirnschaden, welcher eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit des Klägers begründete.

 

Das erstinstanzliche Gericht, das Landgericht Limburg an der Lahn (Urteil vom 28.06.2021, 1 O 45/15) hatte das Klinikum, die die Injektion verabreichende Kinderkrankenschwester sowie die diensthabende Bereitschaftsärztin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1 Millionen Euro sowie zur Zahlung sämtlicher materiellen Schäden, die dem Kläger aus der fehlerhaften Behandlung resultieren, verurteilt. Es hatte- sachverständig beraten- und nach Anhörung der anwesenden Kindesmutter sowie der handelnden Kinderkrankenschwester entschieden, dass die Kinderkrankenschwester behandlungsfehlerhaft die Antibiotikagabe zu früh verabreicht habe. Sie hätte mit dieser länger zuwarten müssen, da der in der Hand des Klägers befindliche Kartoffelchip sowie die auf dem Nachttisch befindlichen Apfelreste Anlass zu der Annahme gegeben hätten, dass der Kläger noch kurz zuvor Nahrung zu sich genommen habe. Es hätten daher angesichts eines bei Kleinkindern bestehenden erhöhten Aspirationsrisikos angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen durch Beobachtung, Nachfragen und Abwarten, dass sich keine Speisereste mehr im Mund des Kleinkindes befanden, bevor die Antibiotikagabe hätte erfolgen dürfen. Gegen diese Sicherheitsvorkehrungen habe die tätige Kinderkrankenschwester verstoßen, die- insoweit unstreitig- die Kindesmutter selbst nicht gefragt hatte, wann der Kläger zuletzt Nahrung zu sich genommen hatte.

 

Demgegenüber hat das OLG Frankfurt a. M. als Berufungsgericht- ebenfalls sachverständig beraten- das Bestehen eines Behandlungsfehlers verneint. Die hinreichend qualifizierte Kinderkrankenschwester habe im Rahmen der verabreichten Antibiose lediglich die allgemein zur Verminderung des Aspirationsrisikos im Behandlungsalltag zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen. Aufwändige und zeitraubende Sicherheitsmaßnahmen vor typischen Behandlungs- und Pflegemaßnahmen seien im Klinikalltag undurchführbar. Aspirationen könnten gerade bei Kleinkindern in praktisch jeder Lebenssituation eintreten und gleichfalls in jeder Klinik bei unzähligen Alltagssituationen. Eine absolute Sicherheit, derartige Aspirationen zu vermeiden, sei weder erreichbar noch als Behandlungsstandard gefordert. Die tätige Kinderkrankenschwester habe mit ihrem Verhalten den geltenden Sorgfaltsmaßstäben genüge getan. Sie habe vor der Antibiotikagabe einige Zeit mit der Kindesmutter gesprochen und den Kläger währenddessen beobachtet, dabei aber keine Kau- und Schluckbewegungen und eine Nahrungsaufnahme feststellen können. Der Kläger habe demgegenüber einen abweichenden Geschehensablauf nicht beweisen können. Er habe nicht beweisen können, dass er beim Eintreffen der Kinderkrankenschwester noch Apfelstücke und Chips in der Hand gehalten habe, seine Wangentaschen „wie ein Hamster“ mit Essen gefüllt gehabt habe und seine Mutter der Kinderkrankenschwester vor der Antibiotikagabe mitgeteilt habe, dass der Kläger noch esse und sie diese gebeten habe, man möge den Kläger vor der Antibiotikagabe zunächst fertig essen lassen. Das Berufungsgericht wies in diesem Zusammenhang u. a. daraufhin, dass ein Bewusstsein der Kindesmutter für die mit den Apfelstücken im Mund des Klägers verbundenen Gefahren bereits deshalb wenig plausibel erscheine, da sie ihrem Kind in einem solchen Fall vermutlich keine derart ungeeigneten Nahrungsmittel hätte zu sich nehmen lassen.

 

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat gegen das Urteil keine Revision zugelassen, die Durchführung der Revision wäre daher lediglich nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde möglich.

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