Einstellungen gespeichert

Cookie-Hinweis: Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind erforderlich, während andere uns helfen unser Onlineangebot zu verbessern. Sie können alle Cookies über den Button “Alle akzeptieren” zustimmen, oder Ihre eigene Auswahl vornehmen und diese mit dem Button “Auswahl akzeptieren” speichern.

Keine Auskunftspflicht des Klinikträgers über die Privatanschrift eines bei ihm angestellten Arztes – BGH, Urt. v. 20.01.2015 – VI ZR 137/14

In einem zivilrechtlichen Arzthaftungsverfahren hatte der Kläger den Klinikträger sowie zwei angestellte Ärzte auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Als ladungsfähige Anschrift der beiden Ärzte hatte er selbst zunächst die Adresse des Klinikträgers angegeben. Weil er den Namen eines Arztes
(bis zur Unkenntlichkeit) falsch geschrieben hatte, gelang die Zustellung der Klage im Klinikum nicht. Auf das Missverständnis hingewiesen, wurde der Name korrigiert und die Klage konnte einige Zeit später zugestellt werden.

Zwischenzeitlich hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aber bereits Auskunftsklage gegen den Klinikträger auf Mitteilung der Privatanschrift des Arztes erhoben. Statt nach (auch insoweit) erfolgter Zustellung die Auskunftsklage zurückzunehmen, bestand der Kläger auf einer grundsätzlichen Klärung.

Das Amtsgericht Weißwasser hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht Görlitz hob auf die Berufung des Klägers hin, das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger die Privatanschrift des betreffenden Arztes mitzuteilen. Das Arzt-Patienten-Verhältnis sei – so das Landgericht – mehr als eine juristische Vertragsbeziehung. Deshalb überwiege das Interesse des Arztes am Schutz seiner Privatsphäre selbst dann nicht, wenn der Patient gar nicht auf die Anschrift (etwa zur Zustellung einer Klage) angewiesen sei.

Verallgemeinert hätte diese Entscheidung den Schutz der Privatsphäre angestellter Klinikärzte stark eingeschränkt. Die praktischen Auswirkungen im Einzelfall (bis hin zu Belästigungen und Medienberichterstattung im privaten Umfeld) hätten enorm sein können. Der Klinikträger ließ die Sache deshalb nicht auf sich beruhen, sondern wandte sich mit der (zugelassenen) Revision gegen das landgerichtliche Berufungsurteil.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und unter Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.

Der BGH bestätigt zwar den gedanklichen Ausgangspunkt des Landgerichts. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) könne eine Auskunftspflicht bei jedem Rechtsverhältnis bestehen. Dies betreffe auch einen Dritten, gegen den Ansprüche durchgesetzt werden sollten. Entscheidend sei aber, dass nur solche Angaben verlangt werden dürften, die für die Geltendmachung des Hauptanspruchs tatsächlich benötigt würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift sei vornehmlich darauf gerichtet, die Übergabe der Klageschrift an den Zustellungsempfänger zu ermöglichen. Die Übergabe an den Empfänger persönlich sei gem. § 177 ZPO der Regelfall. In geeigneten Fällen könne deshalb die Zustellung durch Angabe der Arbeitsstelle sichergestellt werden. Ohnehin würden Krankenhausärzte in Arzthaftungsprozessen regelmäßig mit der Klinikanschrift bezeichnet, ohne dass dies zu relevanten Schwierigkeiten geführt hätte. § 130 Nr. 1 ZPO, der die Angabe des Wohnortes einer Partei für gerichtliche Schriftsätze erwähnt,
sei lediglich eine Soll-Vorschrift.

Unabhängig davon sah der BGH – anders als noch das Berufungsgericht - den Klinikträger gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG daran gehindert, die Daten des angestellten Arztes weiterzugeben. Das Bundesdatenschutzgesetz finde gem. § 32 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG auch auf nicht-öffentliche Stellen (wie einen Klinikträger) Anwendung. Die Weitergabe der Privatadresse eines Beschäftigten an Dritte sei ein Verarbeiten der Daten, so dass diesem das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 BDSG entgegenstehe. Zwar sei es dem Arbeitgeber gestattet, für eine ordnungsgemäße Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses die Privatanschrift zu speichern. Ohne eine Einwilligung des Betroffenen dürfe der Klinikträger diese privaten Kommunikationsdaten allerdings nicht weitergeben. In Ermangelung der besonderen Gestattung durch eine Rechtsvorschrift sei die Weitergabe somit nicht zulässig. Es komme zwar eine Ausnahme gem. § 28 Abs. 2 Nr. 2a BDSG in Betracht, soweit das berechtigte Interesse des Patienten das schutzwürdige Interesse des Arztes an der Wahrung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiege; hier habe der Kläger aber schon kein berechtigtes Interesse dargelegt.

Die praktischen Auswirkungen (von Oliver Hempel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht)

Mit der Entscheidung hat der BGH erfreulicherweise Klarheit geschaffen und vermieden, dass angestellte Klinikärzte fürchten müssen, frühere Patienten dürften zukünftig ohne besonderes Interesse ihre Privatanschrift über den Klinikträger in Erfahrung bringen. Etwaige Begehrlichkeiten von Patienten und Patientenvertretern können nunmehr mit Hinweis auf die höchstrichterliche Entscheidung abgewehrt werden.

Zu beachten ist aber, dass sich die Entscheidung des BGH nur auf eine Konstellation bezieht, in welcher die Zustellung einer Klage gegen den Arzt in der Klinik tatsächlich gelungen ist. Was gelten müsste, wenn – weshalb auch immer – die Zustellung auf diese Weise misslingt, hat der BGH nicht entschieden. Möglicherweise würden dann die Wertungen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bzw. § 28 Abs. 2 Nr. 2a BDSG anders ausfallen. Der tragende Aspekt der jetzigen Entscheidung, die mangelnde Erforderlichkeit, ließe sich dann nicht mehr ohne weiteres einwenden.

Im Interesse seiner angestellten Ärzte sollte der Klinikbetreiber daher die notwendigen Vorkehrungen dafür treffen, dass Zustellungen zuverlässig über die Klinikadresse möglich sind. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Privatanschriften der Klinikärzte auf Anforderung herausgegeben werden müssen, was jedenfalls in Einzelfällen eine schwere Belastung der Lebensqualität angestellter Ärzte darstellen kann.

(Quelle: eigen)

Zurück

scroll up