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Einem Arzt, der im privaten Umfeld eine Körperverletzung begangen hat und dafür strafrechtlich verurteilt worden ist, ist dadurch nicht automatisch unwürdig, den Arztberuf weiter auszuüben.
Das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes wird durch eine Körperverletzung, die nicht im Zusammenhang mit einer ärztlichen Tätigkeit steht, nicht per se so schwerwiegend geschädigt, dass der Arzt zwingend als unwürdig angesehen werden müsste.
Dies hat der Verwaltungsgerichtshof München in seinem Urteil vom 06.08.2024, Az. 21 B 23.726, klargestellt.
Der Fall:
Ein Arzt wurde zunächst in einem strafrechtlichen Gerichtsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er seine damalige Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung mehrfach verletzt haben soll. Er habe unter anderem den Kopf seiner Lebensgefährtin gegen eine Rigipswand geschlagen, sie mehrfach mit der flachen Hand auf beide Gesichtshälften geschlagen und ihr von hinten mit dem beschuhten Fuß in den unteren Rückenbereich getreten, wobei er abrutschte und die Geschädigte im Genitalbereich getroffen habe.
Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung wurde ihm die Approbation als Arzt entzogen, weil er sich dadurch eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe. Zwar würden seine Taten gegen die Lebensgefährtin keinen direkten Berufsbezug aufweisen, allerdings handele es sich um gravierende Straftaten.
Gegen den Entzug seiner Approbation wandte sich der Arzt gerichtlich und hatte damit letztlich Erfolg vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH).
Nach Ansicht des VGH würden die Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht die Annahme einer Unwürdigkeit des Arztes zur Ausübung des ärztlichen Berufs rechtfertigen. Der behördliche Widerruf bzw. der Entzug seiner Approbation sei daher zu Unrecht erfolgt.
Ein Arzt ist im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufs dann unwürdig, wenn er ein Fehlverhalten gezeigt hat, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist, und er daher nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar nötig ist (BVerwG, 31.7.2019 – 3 B 7/18; 15.11.2012 – 3 B 36.12).
An diese Definition seien aber gerade im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Arztes aus Art. 12 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hohe Voraussetzungen zu stellen.
Grund für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit könne daher nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern. Es muss bei Würdigung aller Umstände die weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lassen (BVerwG, 14.4.1998 – 3 B 95/97; 31.7.2019 – 3 B 7.18). Es gehe bei einem Widerruf wegen Unwürdigkeit auch nicht um eine Sanktion, sondern vielmehr darum, das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit zu schützen.
Der für die Annahme einer Unwürdigkeit erforderliche Vertrauensverlust könne grundsätzlich zwar auch durch Straftaten bewirkt werden, die nicht in dem Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt sind.
Bei Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises sei für die Beurteilung, ob die Straftaten zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, die den Betroffenen als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen, in besonderer Weise maßgeblich, welche Delikte begangen wurden und wie diese gerade in Bezug auf die Ausübung des konkreten Berufs (hier des Arztberufs) von Bedeutung sind und den Betroffenen hierfür ungeeignet erscheinen lassen. Weiter müssten die begangenen Delikte von solchem Gewicht sein, dass das Vertrauen auch in die berufliche Tätigkeit beschädigt wird.
Die vorsätzliche Verletzung der körperlichen Unversehrtheit seien mit dem ärztlichen Berufsbild grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Ein solches Verhalten sei in besonderem Maße vertrauensschädigend, denn die Bewahrung von Leben und Gesundheit steht gerade im Zentrum des Arztberufes.
Den Vertretern der Heilberufe werde heute jedoch nicht mehr in jeder Beziehung eine vollständig integre Lebensführung als Berufspflicht auferlegt. Dies habe zur Folge, dass ein Arzt, der sich eines Körperverletzungsdelikts schuldig gemacht hat, das nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit steht, das Ansehen seines Berufsstandes nicht schon automatisch so schwer schädigt, dass er – unabhängig von der Schwere des Delikts – als unwürdig angesehen werden müsste. Auch wenn die Schutzgüter Leben und Gesundheit dem ärztlichen Beruf gerade in besonderem Maße anvertraut sind und deren Schutz den Kern der ärztlichen Berufspflicht darstellen, ist jedenfalls im Grundsatz davon auszugehen, dass nicht jedes Körperverletzungsdelikt, das ein Arzt außerhalb des ärztlichen Wirkungskreises begangen hat, einen Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit rechtfertigt.
Vielmehr ergebe sich auch bei Körperverletzungsdelikten, die einem Arzt zur Last gelegt werden, erst aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles, wie z.B. Art, Schwere, Dauer des Fehlverhaltens, verhängtes Strafmaß, zugrundeliegende Strafzumessungserwägungen u.a., ob es sich um gravierende Verfehlungen handelt, die mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren sind, so dass die weitere Berufsausübung als untragbar erscheint.
Nach der Überzeugung des VGH im vorliegenden Fall rechtfertige das zuvor von einem Strafgericht abgeurteilte Fehlverhalten des Arztes nach Würdigung aller Umstände nicht die Schwelle eines den Widerruf der Approbation rechtfertigenden gravierenden Fehlverhaltens.
Die privat begangenen Körperverletzungsdelikte des Arztes hatten vorliegend keinen Bezug zur ärztlichen Tätigkeit, sondern ihre Ursache und Wirkung ausschließlich in der problembehafteten Beziehung zu seiner damaligen Lebensgefährtin. Der Arzt sei mithin als „Beziehungstäter“ rechtsuntreu geworden.
Zudem habe sich der Arzt vorliegend bis zu den abgeurteilten Straftaten straffrei geführt. Auch nach der Beendigung der Beziehung mit der von ihm verletzten, vormaligen Lebensgefährtin hatte er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen.
Da das Strafgericht sein Fehlverhalten „lediglich“ mit einer Geldstrafe geahndet habe, sei das Ansehen der Ärzteschaft in der Bevölkerung auch nicht so schwer geschädigt worden, wie dies bei einer Freiheitsstrafe der Fall gewesen wäre. Denn ein Fehlverhalten, für das ein Täter mit einer Freiheitsstrafe belegt worden ist, schädige das Ansehen und Vertraeun der Allgemeinheit stärker, als ein mit Geldstrafe geahndetes (vgl. OVG NRW, U.v. 25.5.1993 – 5 A 2679/91). Im Übrigen handele es sich bei der verhängten Geldstrafe nicht um ein hohes Strafmaß.
(VGH München, 06.08.2024, Az. 21 B 23.726)