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BGH verwirft die sog. "taggenaue Berechnung" des Schmerzensgeldes

Der BGH hat die sogenannte „taggenaue Berechnungsmethode“ für Schmerzensgeldansprüche in einem brandaktuellen Urteil verworfen (BGH, Urteil vom 15.02.2022, Az. VI ZR 937/20). Die taggenaue Berechnungsmethode sei gerade nicht einzelfallgerecht.

 

Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde:

 

Bei einem Verkehrsunfall wurde ein Autofahrer so schwer verletzt, dass unter anderem sein rechter Unterschenkel amputiert werden musste. Er musste über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren 13 mal stationär im Krankenhaus behandelt werden. Er verbrachte insgesamt über 500 Tage im zur Behandlung im Krankenhaus. Seit dem Unfall ist er zu mindestens 60 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert.

 

Der geschädigte Autofahrer verklagte daraufhin Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw. Deren Haftung und Einstandspflicht dem Grunde nach war unstreitig. Es ging in dem Rechtsstreit primär um die Frage, welche Höhe ein angemessenes Schmerzensgeld für den Kläger haben muss.

 

Nachdem das Landgericht Darmstadt (Urteil vom 17. September 2019 - 2 O 227/14) in erster Instanz die immateriellen Schäden des Klägers insgesamt betrachtete und ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zugesprochen hatte, wendete das OLG Frankfurt am Main mit einem aufsehenerregenden Urteil vom 4. Juni 2020 - 22 U 244/19 die sogenannte taggenaue Berechnung von Schmerzensgeldansprüchen an. Mit dieser Berechnungsmethode sprach das OLG Frankfurt dem Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von sogar 200.000 Euro zu.

 

Diese vom OLG Frankfurt angewandte Berechnungsmethode erfolgt im Wesentlichen in drei Rechenschritten. In einem ersten Schritt werden auf der Grundlage eines durchschnittlichen Einkommens und der Lebensbeeinträchtigung nach der jeweiligen Behandlungsphase gestaffelte Tagessätze zusammengerechnet. In einem zweiten Schritt werden dann individuelle Zu- oder Abschläge vorgenommen. Die Gesamtsumme wird dann in einem dritten Schritt bei dauerhaften Schäden ggfs. noch erhöht.

 

Hierüber hatte der BGH nun im Rahmen der Revision der Beklagten zu entscheiden. Der BGH hielt die taggenaue Berechnungsmethode im Ergebnis für nicht einzelfallgerecht. Statt der im Rahmen der taggenauen Berechnung stattfindenden isolierten Betrachtung einzelner Faktoren, sei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. Maßgeblich für Berechnung der Schmerzensgeldhöhe seien nach Ansicht des BGH in erster Linie die tatsächlich entstandenen Lebensbeeinträchtigungen. Zudem komme es maßgeblich auf die Schwere der Verletzungen, das dadurch bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und den Verschuldensgrad des Schädigers an. Im Ergebnis müsse eine einheitliche Entschädigung für das Schadensbild festgesetzt werden. Diese sei aber nicht streng rechnerisch durch eine schematische Konzentration auf die Anzahl der im Krankenhaus verbrachten Tage und auch nicht unter Zugrundlegung eines durchschnittlichen Einkommens ermittelbar.

 

Der BGH hat daher die Entscheidung des OLG Frankfurt aufgehoben. Dieses muss nun erneut über die Höhe eines angemessenen Schmerzensgeldes befinden und darf dabei keine „taggenaue Berechnung“ vornehmen.

 

Fazit:

Der BGH hat mit dieser Entscheidung der taggenauen Berechnungsmethode eine Abfuhr erteilt. Die Berechnungsmethode war bis dahin insbesondere bei Patientenanwälten sehr beliebt, weil sie regelmäßig zu sehr hohen Schmerzensgeldern führt. Die Unklarheit und Uneinigkeit über die Angemessenheit von Schmerzensgeldern ist nun beseitigt. Der BGH hat klargestellt, dass die Schmerzensgeldhöhe nicht anhand von mathematischen Tagesberechnungen, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung vorzunehmen ist.

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