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BAG, Urteile vom 20.03.2024 5 AZR 234/23 und 235/23:

Das Bundesarbeitsgericht setzt mit neuer Rechtsprechung staatlichen Entschädigungsleistungen wegen Corona bedingter Arbeitsunfähigkeit von Arbeitnehmern ein Ende und bürdet stattdessen den Arbeitgebern die Kosten für Verdienstausfallschäden auf.

I.
In Zeiten der Corona-Pandemie konnten viele Arbeitnehmer wegen einer Infektion mit dem Corona-Virus nicht arbeiten. Da ohne Arbeit grundsätzlich auch kein Lohn zu zahlen ist, andererseits aber die Folgen der Corona-Pandemie nicht von den Mitarbeitern getragen werden sollten, hatte der Gesetzgeber einen staatlichen Entschädigungsanspruch in § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geschaffen.

Demnach sollte derjenige, der wegen einer Quarantäne Anordnung einen Verdienstausfall erleidet, einen Anspruch auf Entschädigung dieses Ausfalls gegen den Staat haben. Der jeweilige Arbeitgeber sollte dazu in Vorleistung treten und die vom Arbeitgeber verauslagten Zahlungen dann vom Staat bzw. dem jeweiligen Bundesland erstattet erhalten, § 56 Abs. 5  IfSG.


II.
In zwei Urteilen vom 20.03.2024 hat das Bundesarbeitsgerichts (BAG) nun jedoch entschieden, dass der Staat bei einer Corona-Infektion eines Arbeitnehmers und dadurch bedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. einem Tätigkeitsverbot nicht verpflichtet sei, eine solche Entschädigung nach dem IfSG zu zahlen. Denn eine Corona-Infektion eines Arbeitnehmers stelle, auch bei symptomlosem Verlauf und auch ohne Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, einen regelwidrigen Zustand des Körpers und damit eine Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes dar.

Auch bei einer behördlich angeordneten Quarantäne gegenüber einem infizierten Arbeitnehmer sei letztlich diese Infektion und damit eine „Erkrankung" - die primäre Ursache für dessen Arbeitsunfähigkeit. Damit habe der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber grundsätzlich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 3 des  Entgeltfortzahlungsgesetzes für bis zu sechs Wochen. Daraus folge weiter, dass infizierten Arbeitnehmern kein Anspruch auf Entschädigung für erlittene Verdienstausfälle nach dem Infektionsschutzgesetz gegenüber dem Staat mehr zustehe, weil sie vorrangig einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber ihrem Arbeitgeber hätten. § 56 Abs. 1 IfSG stelle nach Ansicht des BAG allein eine nachrangige Billigkeitsregelung dar, mit der nur Notfälle abgedeckt werden sollen. Ein solcher Notfall, der nach dem Infektionsschutzgesetz vom Staat entschädigt werden müsste, liege aber dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen Infektion mit dem Corona-Virus von seinem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung verlangen kann.

III.
Dies hat zur Konsequenz, dass auch Arbeitgeber, die nach § 56 Abs 5 IfSG „in Vorleistung“ für den Staat getreten sind und ihren infizierten Arbeitnehmern Entschädigungen für erlittenen Verdienstausfall ausgezahlt haben, grundsätzlich keine Rückerstattung gegenüber dem Staat mehr geltend machen können. Denn nach Ansicht des BAG stellen diese Zahlungen des Arbeitgebers keine Vorleistungen für den Staat dar, sondern Zahlungen, zu denen der Arbeitgeber nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ohnehin verpflichtet gewesen seien.

Von diesen Grundsätzen gibt es zwar weiterhin Ausnahmen. So zum Beispiel dann, wenn die Voraussetzungen für einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber gar nicht vorlagen oder wenn sich nicht der Arbeitnehmer selbst infiziert hatte, sondern er sich nur aufgrund des Kontakts zu einem infizierten Dritten in Quarantäne befunden hat.

Das BAG entlastet durch seine beiden Urteile vom 20.03-2024 - 5 AZR 234/23 und 5 AZR 235/23 jedoch die öffentliche Hand beträchtlich und verlagert die Kostenlast für finanzielle  Schäden der Arbeitnehmer wegen einer Corona-Infektion bzw. einer Quarantäne im Wesentlichen auf die Arbeitgeber.

IV.
Aufgrund dieser Entscheidungen des BAG vom 20.03.2024 sind die Auszahlungen der von den Arbeitgebern eingereichten Anträge auf Erstattungsleistungen nach § 56 Abs. 5 des IfSG bereits gestoppt worden und viele Anträge der Arbeitgeber auf eine Erstattung der Coronahilfen bereits abgelehnt worden. Allerdings haben mehrere Bundesländer so beispielsweise Nordrhein Westfalen in ihren Ablehnungsbescheiden ankündigt, alle aufgrund dieser neuen Rechtsprechung abgelehnten Verfahren von Amts wegen wieder aufgreifen und neu  entscheiden zu wollen, wenn sich künftig noch eine neue Rechtslage ergebe.

Diejenigen Arbeitgeber, denen diese Zusicherung für eventuelle Änderungen der Rechtslage in der Zukunft nicht ausreicht oder die eine solche Zusicherung gar nicht erst erhalten haben, können gegen die Bescheide, mit denen Ihre Anträge auf Erstattung abgewiesen wurden, grundsätzlich klagen. Derzeit sind bereits zahlreiche solcher Klageverfahren bei den Verwaltungsgerichten anhängig. Wegen der vorbenannten Rechtsprechung des BAG haben diese Klagen bislang noch keinen Erfolg gehabt. Allerdings haben die ersten Verwaltungsgerichte zur endgültigen Klärung dieser neuen Rechtslage bereits eine sogenannte Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen (Verwaltungsgericht Düsseldorf, 10.10.2024 - Az. 29 K 6557/24). Dabei hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf darauf hingewiesen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und allein beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ca. 250 Verfahren dieser Art anhängig seien. Es bleibt daher spannend und abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht über die dort nun anhängige
Sprungrevision entscheiden wird.

 

Michael Arndt, LL.M.

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